Warum tätowiere ich ohne Maschine?

Hand Poke ist für mich die ideale Form des Tätowierens, weil der Prozess sanft, achtsam und besonders hautschonend ist. Ohne Maschinenlärm, nur mit der Nadel, entsteht eine unmittelbare Verbindung zwischen mir und meinen Kund:innen. Es geht nicht darum, möglichst schnell fertig zu sein, sondern um Geduld, Sorgfalt und das bewusste Erleben jedes einzelnen Schrittes.

Bei der Hand Poke Technik wird jede einzelne Farbeinbringung mit einer Nadel in die Haut gestochen. Ich arbeite meist mit Dreier- oder Fünfer-Nadeln, um besonders feine Details zu erzielen. Ich liebe sanfte Übergänge mit zarten Schattierungen, bei denen die Dichte der Punkte langsam abnimmt. Ein weiterer Vorteil: Hand Poke erfordert deutlich weniger Equipment – das schont die Umwelt und macht es mir leichter, flexibel zu reisen. So durfte ich bereits in vielen Städten Deutschlands, in Frankreich und Istanbul Menschen mit meiner Kunst glücklich machen.

Auf diese Technik bin ich damals eher zufällig gestoßen. Ich lebte noch in Istanbul und arbeitete in der Kulturbranche, als ich auf Instagram eine Künstlerin entdeckte, die mit dieser Methode tätowierte. Ich war sofort fasziniert, konnte mir aber kaum vorstellen, dass ich eines Tages selbst in diesem Bereich arbeiten würde – geschweige denn, dass ich damit so viele Menschen begeistern könnte. Ich erinnere mich genau an den Moment, als ich abends im Bett durch ihren Account scrollte und jeden einzelnen Beitrag verschlang. Rückblickend fühlt sich dieser Moment fast surreal an – wie ein "Pinch-me-Moment", der mein Leben völlig verändert hat.

Schon seit 2017, als ich meinen Mann und Tätowierer Çağdaş kennenlernte, war ich in der Tattooszene aktiv. Ich unterstützte ihn kreativ beim Aufbau seiner zwei Studios in Istanbul, während ich gleichzeitig in der Projektkoordination Vollzeit  arbeitete. Aber dass ich selbst irgendwann zur Nadel greifen würde? Das hätte ich mir damals nie träumen lassen. Dass ich nicht für immer in einem klassischen 9-to-5-Job bleiben wollte, war mir jedoch schon lange klar – aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag. Heute geht es um Hand Poke und warum diese Technik für mich die schönste Art des Tätowierens ist.

Meine Sessions sind kleine Auszeiten vom Alltag – individuell, entschleunigt und auf jede Person abgestimmt. Du kannst dich mit mir unterhalten oder einfach deine "Me-Time" genießen. Manche Kund\:innen schlafen sogar während der Sitzung ein – für mich das schönste Kompliment, denn es zeigt, wie wohl sie sich fühlen und dass sie mir vollkommen vertrauen.

Tattoos sind weit mehr als bloße Bilder auf der Haut. Sie erzählen Geschichten, bewahren Erinnerungen und spiegeln wider, wer wir sind – oder wer wir einmal waren. Wenn ich mir meine eigenen Tattoos von vor ein paar Jahren anschaue, versetzen sie mich direkt in diese Zeit zurück. Ich werde ein wenig nostalgisch, aber auch stolz auf meinen Weg und darauf, was ich seither erreicht habe. Ich denke dann an die "Vergangenheit-Filiz" und bin dankbar für all die Erfahrungen, die mich zu der Person gemacht haben, die ich heute bin.

Ein Tattoo steht für Selbstvertrauen. Es ist eine bewusste Entscheidung – ein Kunstwerk, das ein Leben lang bleibt. Es geht darum, zu sich zu stehen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Jedes Mal, wenn ich jemanden auf diesem Weg begleite und gemeinsam mit ihnen Kunst erschaffe, die sowohl ästhetisch als auch emotional berührt, empfinde ich große Freude.

Tattoos sind für mich eine kraftvolle Form der Selbstbestimmung. Ich entscheide, wie mein Körper aussehen soll – und das ist etwas unglaublich Wertvolles. Hand Poke ist für mich die sanfteste, individuellste und präziseste Technik. Punkt für Punkt entsteht ein einzigartiges Kunstwerk, das sich an jede Haut anpasst – so unterschiedlich wie wir alle sind. Und genau das sollten wir feiern, oder?